Ein wichtiger Hinweis zu Übung 5:
Immer wieder bekomme ich Rückmeldungen von Menschen, die mit dem sog. Positivem Denken und der Arbeit mit Affirmationen vertraut sind. Diese Menschen sind erschrocken darüber, dass sie nun im zweiten Schritt Armut bzw. Mangel einatmen sollen. Sie haben Angst, dies nun als dauerhaften Zustand zu manifestieren.
„… jetzt habe ich eine Frage: weshalb haben wir in Punkt 2 ‚Ich habe Leid (Schmerz, Kummer)?‘ Das ist doch gerade das von dem wir uns distanzieren wollen, oder?“
„Verstehe gerade nicht, wozu der zweite Schritt gut sein soll ????“
„Den 2. Satz werde ich nicht sagen, wenn ich das sage, ist das in meinem Unterbewusstsein gespeichert, wir sollten doch nur positive Sätze integrieren.“
Wie ist es Dir mit dieser Übung ergangen? Hast Du auch diese Bedenken? Dann möchte ich diese Bedenken jetzt gerne ausräumen und etwas mehr Klarheit schaffen, denn diese Übung ist außerordentlich wertvoll – und wirksam!
Ich kenne diese Bedenken aus eigener Erfahrung sehr gut. Und sie werden auch immer wieder von Menschen geäußert, die schon einige Erfahrungen mit mentalen Techniken wie Affirmationen, Positivem Denken etc. gemacht haben.
Und auf den ersten Blick scheint es ja wirklich keinen Sinn zu machen zu sagen, „Ich habe Leid, und ich bin Leid“. Wer will sich schon sooo fühlen!
Und genau das ist der Punkt: eben WEIL wir uns nicht arm fühlen wollen, eben weil wir keinen Mangel erleben wollen, ziehen wir es auf einer unbewussten Ebene immer wieder an – weil wir uns dagegen wehren. Und Widerstand sorgt dafür, dass die Dinge bestehen bleiben.
Echter Wohlstand, Freiheit und Selbstbestimmung hingegen resultieren aber aus einem Annehmen von allem! Es geht nicht um Schönreden, Schöndenken, sondern es geht um Integration. Um eine Versöhnung der Gegensätze.
Wir leben in einer Welt der Dualität. Ich kann das eine nicht ohne das andere haben. Es gibt keinen Tag ohne die Nacht. Es gibt kein warm ohne kalt. Es gibt kein reich ohne arm. Und je mehr ich eine Seite der Medaille betone, umso mehr kommt irgendwann die andere zum Vorschein.
Sicher kennst Du das chinesische Yin-Yang-Symbol, die beiden tropfenförmigen schwarz-weißen Halbkreise, die ineinander überfließen. In jedem der beiden Hälften ist das Gegenteil in Form eines Punktes enthalten. Und Integration bedeutet, dahin zu kommen, dass Du Dich als der ganze Kreis erlebst.
Nicht nur weiß oder nur schwarz, oder nur weiß, aber kein schwarz bzw. umgekehrt. Es geht um die Freiheit zu wählen, was immer ich sein, tun, haben und erleben will. Die Bereitschaft, ALLES anzunehmen.
Daher die drei Schritte: erst die eine Seite, dann die gegenteilige, und dann etwas, was Du willst. Alles andere führt zu Verleugnung, Ignoranz und Widerstand und in der Folge davon zu Unfreiheit, Fremdbestimmung und dem Erleben von dem, was ich doch eigentlich gar nicht erleben will.
Sicher, ich kann immer eine Zeitlang schöne Illusionen aufrecht erhalten. Doch das ist auf Dauer sehr anstrengend, da ich immer gegen mich selbst kreiere. Es ist wie mit Wasserbällen, die ich unter Wasser drücke. Eine Weile geht das, doch irgendwann lassen meine Kräfte nach, und die Bälle springen mit voller Wucht nach oben. Macht Sinn, oder?
In einem uralten Zen-Text heißt es: „Erleuchtung ist ohne Zuneigung und ohne Abneigung.“ D.h., in dem Augenblick, in dem Du jeglichen Widerstand aufgibst, kehrst Du zur Quelle zurück. Jeglichen Widerstand aufzugeben ist nichts anders als Zuneigung und Abneigung aufzugeben. Denn Zuneigung (Begehren) ist der Widerstand dagegen, etwas nicht zu haben, und Abneigung (Ablehnung) ist der Widerstand dagegen, etwas (das Du nicht haben willst) zu haben.
Daher atmest Du bei der obigen Atemübung zunächste Freude (bzw. das, was Du begehrst) ein und aus, und dann das Gleiche mit Leid (das, was Du nicht willst). Das machst Du so lange, bis Du Dich mit beiden Seiten entspannt fühlst und weder auf das Eine noch auf das andere reagierst. Das Gefühl des inneren Friedens, das Du nun erlebst, vertiefst Du dann mit dem dritten Schritt der Atemübung. Und von diesem entspannten Zustand inneren Friedens aus kannst Du beginnen zu erschaffen, was Dir wirklich am Herzen liegt.
„Before you think big, you better think real“, sagte der große tibetische Meister Chögyam Trungpa. Bevor Du also damit beginnst, Dein Leben nach Deinen Vorstellungen zu gestalten, solltest Du besser erst mal hingehen und Deine gegenwärtigen (häufig behindernden) Lebensumstände in Ordnung bringen. Wenn Du anfängst, Deine sich oft widersprechenden Muster und Verhaltensweisen zu integrieren, wirst Du bemerken, wie Dein Leben zunehmend leichter und entspannter zu fließen beginnt. Mit dem Leben fließen, eine Richtung wählen und wertvolle Ziele verwirklichen – all das beginnt mit den drei Schritten der obigen Atemübung 🙂
Ich hoffe, dass ich Dir nun etwas mehr Klarheit und Zuversicht in bezug auf das Integrieren von Reichtum und Armut vermitteln konnte. Wie jetzt sicher deutlich geworden ist, sind die oben erwähnten Sorgen und Bedenken völlig unbegründet. Denn es geht ja darum, eventuell (und bei den meisten von uns ist das so!) noch vorhandene Einstellungen der Armut und des Mangels anzunehmen und dann – mit dem Ausatmen – loszulassen.
7 thoughts on “Hinweis zu Übung 5”
23. August 2011 um 19:06
Lieber Ralf,
drei Dinge sind mir spontan eingefallen, wo ich in meinem Leben großen Widerstand spüre.
Es geht los mit dem Aufstehen. Ich muss morgens wenn der (3.) Wecker klingelt all meine Kraft aufbringen, um mich aus dem Bett zu schälen. Das ist nicht so, wenn ich von selbst wach werde, dann fällt mir aufstehen auch oft schwer (es sei denn die Rückenschmerzen treiben mich raus), weil ich mich selten wirklich ausgeruht fühle, aber dann ist da nicht so ein großer Widerstand. Ich glaube der erste Schritt, den Widerstand beim Aufstehen zu verringern, ist früher ins Bett zu gehen, um ausgeruhter zu sein. Da hält mich aber der nächste Widerstand von ab:
Einen großen Widerstand spüre ich bei der Arbeit. Ich weiß, dass ich weniger Zeit für Vor- und Nachbereitungen der Therapiestunden und für Berichte verwenden müsste, damit ich meinem Wunsch von mehr Privatleben nachkommen kann, aber ich kann nur schwer Dinge weglassen, die ich für wichtig für dem Therapieerfolg halte.
Und warum ich so lange brauche, um die Berichte zu verfassen weiß ich auch nicht genau. Es fällt mir schwer, in kurzer Zeit den Punkt zu finden und ihn kurz und knapp zu beschreiben. Es gehören für mich Details dazu, damit ich genau verstanden werde. Ich habe das Gefühl, es zieht sich immer alles zäh wie Kaugummi lang und ich könnte das, was ich tue, eigentlich in kürzerer Zeit mit demselben Erfolg erledigt haben. Aber ich komme einfach nicht dahinter, was mich daran hindert. Also wo genau der Ansatz ist. Konkret.
Ungerechtigkeit löst bei mir großen Widerstand aus, fühlt sich fast an wie Trotz. Das Gefühl hatte ich schon mehrfach hier in der Praxis mit meiner Praxispartnerin. Oft ging es um Geld (sie ist gleichzeitig meine Vermieterin der Praxisräume), aber auch ums „Kümmern“, um Versprechen und nicht einhalten, ums Miteinbeziehen in Vorhaben, Entscheidungen, Gedanken.
Ich versuche oft, die Dinge aus ihrer Sicht zu sehen (was mir auch relativ gut gelingt denke ich), um durch mehr Verständnis weniger Widerstand dagegen zu haben. Dann habe ich beide Seiten bei mir in der Brust und trotzdem kann ich selten über meine Schatten springen und ihre Seite wirklich akzeptieren und dem gelassen entgegen blicken. Mir fällt nichts ein, was ich hier tun kann, um den Widerstand aufzugeben, das Gefühl dabei ist so intensiv, was mich davon abhält.
Ich bin ziemlich frustriert. Nun sitz ich wieder hier, kann nur „jammern“ darüber wie es ist und weiß mal wieder keine Lösung. Noch nicht mal ansatzweise, gähnende Leere in meinem Kopf und in meinem Bauch dabei… Mist.
Das hab ich gestern geschrieben. Nun habe Ich noch einmal eine Nacht drüber geschlafen, aber es hat auch keine neuen Ideen gebracht. Ratlos. Doofes Gefühl.
Liebe Grüße
Bianca
24. August 2011 um 9:46
Liebe Bianca,
all diese Themen können wir im Laufe der nächsten Wochen eingehend erforschen, um sie zu integrieren.
Für nun lass uns mit dem Widerstand selbst arbeiten.
Im heutigen DR hieß es, mit den Widerstandsthemen durch die Übg. 5 zu gehen.
Dazu eine Enmpfehlung:
Atme/fühle im zweiten Schritt erstmal den Widerstand selbst (gegen die betreffende Sache), und dann in einem zweiten Durchgang die Sache, gegen die Du Widerstand hast bzw. das damit verbundene Gefühl. Das erleichtert es, diese Sache bzw. das Gefühl anzunehmen und zu fühlen.
Beispiel:
Erster Durchgang:
1. Atme ein und sage zu Dir selbst:
Ich habe Freude (oder was Du gerne fühlen möchtest).
Atme aus und sage zu Dir selbst:
Ich bin Freude.
2. Atme ein und sage zu Dir selbst:
Ich habe Widerstand gegen das frühe Aufstehen.
Atme aus und sage zu Dir selbst:
Ich bin Widerstand gegen das frühe Aufstehen.
3. Atme ein und sage zu Dir selbst:
Ich habe Frieden (Freiheit).
Atme aus und sage zu Dir selbst:
Ich bin Frieden (Freiheit).
Zweiter Durchgang:
1. Atme ein und sage zu Dir selbst:
Ich habe Liebe (oder was Du gerne fühlen möchtest).
Atme aus und sage zu Dir selbst:
Ich bin Liebe.
2. Atme ein und sage zu Dir selbst:
Ich habe Müdigkeit (oder was immer es ist, was Du morgens beim/vor dem Aufstehen fühlst).
Atme aus und sage zu Dir selbst:
Ich bin Müdigkeit.
3. Atme ein und sage zu Dir selbst:
Ich habe Freiheit.
Atme aus und sage zu Dir selbst:
Ich bin Freiheit.
24. August 2011 um 11:32
Lieber Ralf,
bei der Begriffssuche habe ich festgestellt, dass es noch im Verständnis des Unterschiedes zwischen Schritt 1 und 3 hapert.
Bei Schritt 3 fallen mir Begriffe ein, die ich auch bei Schritt 1 einsetzen könnte.
Kannst du vielleicht noch einmal genauer erklären, was das Eine beinhaltet, was das Andere nicht hat?
Liebe Grüße
Bianca
24. August 2011 um 11:48
Schritt 1 und 2 sind gegensätzliche Begriffe (Wachheit – Müdigkeit; Freude (o.ä.) – Ärger; Entspannung (o. Gelassenheit) – Anspannung (Stress). Und bei Schritt 3 nimmst Du einen Begriff Deiner Wahl.
Schau Dir dazu noch mal die Beschreibung der Übung 5 an.
Viel Vergnügen beim Integrieren der Gegensätze 🙂
Ralf
24. August 2011 um 13:30
Hatte die Übungsbeschreibung schon mehrfach durchgelesen, aber keine wirkliche Antwort gefunden. Findest du eine Beschreibung darin von Schritt 3, außer dass du Beispielwörter Frieden und Freiheit nennst?
Schritt 1 und 2 ist mir klar, die sind ausführlich beschrieben, aber über Schritt 3 finde ich kaum etwas Beschreibendes.
„Erst die eine Seite, dann die Gegenteilige, dann etwas, was du willst.“ Also könnte ich auch ein „Eis“ einfügen 😉 Nein, aber das wird mir dadurch einfach nicht klar. „Das, was ich will,“ ist doch eigentlich auch die „eine Seite“.
Ich habe folgende Begriffe erstmal genommen:
1. Leichtigkeit
2. Widerstand gegen die Therapievorbereitungen / Überforderung
3. Lebenslust
1. Klarheit
2. Widerstand gegen das Berichte schreiben / Planlosigkeit
3. Selbstsicherheit
1. Toleranz
2. Widerstand gegen Ungerechtigkeit / Verletztheit
3. Gelassenheit
und bin so lala zufrieden damit.
Angefangen bei der Wortfindung habe ich mit Schritt 2 und habe dann überlegt, wie die anderen Positionen sein könnten. Schritt 3 glaube ich, ist etwas Allgemeineres, Umfassenderes, weniger Konkretes. Aber so richtig habe ich keinen Begriff dafür.
24. August 2011 um 13:43
Findest du eine Beschreibung darin von Schritt 3
24. August 2011 um 13:44
Entscheidend ist diese Frage:
Wie möchtest Du Dich am liebsten fühlen?
🙂