Nachdem Du oben mit den Augen der Schönheit und dann einfach so geschaut hast, geht es in dieser Lektion um unmittelbares Sehen.


„Normalerweise merken wir nicht, in welchem Ausmaß wir alle tief verstrickt sind in ein ungeheures Netzwerk von konditionierten Gedanken, Bildern, Annahmen, Vorurteilen und Überzeugungen, alle verbunden mit vielfältigen körperlichen Empfindungen und Reaktionen, die den ganzen Organismus beeinflussen.

Pausenlos nehmen wir uns selbst, einander und unsere „Welt“ durch den Filter dieser konditionierten Bilder und Überzeugungen wahr, und wir verteidigen automatisch, was wir unter Wahrheit und Wirklichkeit zu verstehen glauben.

Was ist Wahrheit?

Kann es ein Innehalten geben in diesem gewaltigen Strom konditionierten Denkens und Reagierens, ein stilles Nach-innen-Schauen und -Hören – ohne zu wissen, das vom Gewicht der Vergangenheit befreit, indem es ein Licht auf sie wirft?

Ohne Ja oder Nein zu antworten – können wir unmittelbar sehen?“

– Toni Packer

61. Das Bezeichnen aufgeben

Betrachte etwas und hänge dem Gegenstand Deiner Betrachtung im Geiste ein Etikett oder einen Post-it-Aufkleber an, auf dem der Name bzw. die Bezeichnung des Gegenstandes steht. Du kannst auch irgendein Urteil oder eine Bewertung darauf schreiben. Wie empfindest Du nun den Gegenstand?

Nun betrachte etwas, ohne dem Gegenstand Deiner Betrachtung einen Namen oder eine Bezeichnung oder gar ein vergleichendes oder bewertendes Urteil anzuhängen oder überzustülpen. Wie empfindest Du den Gegenstand jetzt?

 

62. Unmittelbar schauen

Wähle einen Gegenstand aus und betrachte ihn einen Augenblick lang aufmerksam. Dann sage zu Dir selbst:

„Ich schaue mit meinen Augen.“

Bleibe mit Deiner Aufmerksamkeit bei dem Gegenstand und sage zu Dir selbst:

„Ich schaue durch meine Augen.“

Bleibe mit Deiner Aufmerksamkeit bei dem Gegenstand und sage zu Dir selbst:

Es schaut durch meine Augen.“

Bleibe mit Deiner Aufmerksamkeit bei dem Gegenstand und sage zu Dir selbst:

„Es schaut durch mich.“

Bleibe mit Deiner Aufmerksamkeit bei dem Gegenstand und sage zu Dir selbst:

„Es schaut.“

Bleibe mit Deiner Aufmerksamkeit bei dem Gegenstand und fühle die Verbundenheit.

 

Frage: Hat sich während der einzelnen Schritte etwas an Deiner Wahrnehmung verändert?

Hinweis:

Wie schon in den gestrigen Übungen kannst Du auch in dieser wie auch in der vorangegangenen Übung erforschen, wie es ist, wenn Du zunächst Dinge, dann Pflanzen und dann Lebewesen auf diese Weise betrachtest.